Ich schreibe diesen Bericht nun ein halbes Jahr nach unserer Geburt, da meine erste Version leider verloren gegangen ist. Sicherlich verändert sich durch den zeitlichen Abstand auch die Erzählung ein wenig, aber ich versuche, meine Eindrücke noch einmal ganz nah Revue passieren zu lassen.
Als sich herausstellte, dass ich schwanger war, war mir sehr schnell klar, dass ich eine Hausgeburt anstreben möchte. Dieser Wunsch entstand eher intuitiv, aber je mehr ich mich über (Klinik-)Geburten informierte, desto klarer wurde mir, dass eine Geburt zu Hause am besten zu uns passt. Ich wollte die Geburt unseres ersten Kindes so innig, selbstbestimmt und zurückgezogen wie nur irgendwie möglich gestalten. Als wir bei Birgit auf dem Sofa saßen, waren mein Mann und ich schnell überzeugt, dass sie uns dabei so begleiten kann, wie wir uns das erhofften.
Schon während der Schwangerschaft unterstützte mich Birgit mit sehr vielen hilfreichen Ideen. Besonders schön ist mir eine meditative Reise in Erinnerung, die mich in eine tiefe Verbindung zu meiner Gebärmutter brachte. Das war ein sehr früher Schlüsselmoment, der mir half, den Weg bis zur Geburt Hand in Hand mit meinem Körper gehen zu können. Das war mir in den ersten Schwangerschaftswochen nämlich noch schwergefallen.
Darüber hinaus machte ich mich mit dem Konzept der friedlichen Geburt nach Kristin Graf vertraut. Kurz gesagt geht es dabei darum, sich in einen tiefenentspannten, tranceartigen Zustand zu versetzen, mit dem Ziel, während der Geburt möglichst eng im Kontakt mit dem Kind zu bleiben und das Schmerzempfinden positiv zu beeinflussen. Dazu übt man bestimmte Selbsthypnosetechniken. (Diese Information ist später nochmal wichtig.)
Alle meine Versuche, die Geburt selbst chronologisch wiederzugeben, sind bisher gescheitert, deswegen will ich es hier auch gar nicht versuchen, sondern nur einige Eindrücke schildern, die sich eingeprägt haben. Von den ersten Wehen bis zum Baby auf dem Arm war es nämlich eine Reise von 33 Stunden. Die ersten Wehen begannen um 3 Uhr nachts und waren von Anfang an sehr regelmäßig. Sie ließen sich sehr gut veratmen, auch mithilfe der Selbsthypnosen, die ich mit der „friedlichen Geburt“ gelernt hatte. Diese Phase fühlte sich unglaublich schön, fast heilig an. Gegen Mittag kam Birgit kurz vorbei, tastete den Muttermund, der noch bei 1cm war, und verließ uns wieder. Wir kamen noch sehr gut zu zweit zu recht.
Gegen Abend wurde alles etwas intensiver, und ich konnte mich kaum noch nach außen wenden. Als mein Mann vorschlug, Birgit zu rufen, hielt ich das für eine gute Idee, die ich selber nicht mehr so artikulieren hätte können :D
Als Birgit wieder den Muttermund tastete, war ich sicher, dass mein Körper und ich ordentlich gearbeitet hatten, aber nix da, wir waren immer noch erst bei 1 cm. Das war der erste kleine Tiefpunkt, an dem ich mich zum ersten mal fragte, wo die Reise denn noch hingehen sollte, wenn nach so langer Zeit (vermeintlich) gar nichts passiert war.
Ab hier verschwimmen meine Erinnerungen mehr - ich weiß aber, dass mir Zeit in der Badewanne immer wieder über die schwierigeren Phasen hinweggeholfen hat. Sie trug wohl schließlich auch dazu bei, dass wir beim nächsten Tasten plötzlich bei 8 cm (glaube ich) waren. Das gab mir wieder viel Aufwind. Als wir schon etwa 24 Stunden auf dem Weg waren, spürte ich, dass ich mit den Wehen mitpressen musste. Zu Anfang fand ich das super, weil ich wieder etwas aktiver mitarbeiten konnte. In meiner Erinnerung dauerte diese Phase aber so lange, dass mir irgendwann einfach die Kraft aus ging. Die Presswehen kamen und gingen, ich spürte, dass ich mitpressen müsste, aber ich konnte einfach nicht mehr - wir steuerten auf den nächsten Tiefpunkt zu: Ich war (so dachte ich) am Ende meiner Kräfte, und ich erinnere mich noch, dass ich den Gedanken hatte „Ich muss ins Krankenhaus wenn das so weiter geht“. Mein Körper reagierte aber darauf, glaube ich, indem die Wehen wieder unregelmäßiger und die Pausen dazwischen etwas länger wurden, und kam ich gar nicht dazu, wirklich ins Krankenhaus zu wollen. Das war dann auch ungefähr der Zeitpunkt, wo ich mit meinen Selbsthypnosen aufhörte, weil ich merkte, wie es mich von Birgit und vor allem meinem Mann trennte. Ich merkte auch immer mehr, wie die beiden mir gerne öfter Fragen stellen würden, sich aber zurückhielten, um mich in meinen Selbsthypnosen nicht zu stören. (Im Nachhinein würde ich die Techniken der „friedlichen Geburt“ nicht mehr so intensiv nutzen. Durch den zurückgezogenen Trancezustand war der Geburtsprozess viel weniger zu einem gemeinsamen Erlebnis, wie es meinem Mann und mir eigentlich entsprach. Ich bin froh, dass ich früh genug mit den Hypnosen aufhörte.)
Ich weiß, dass sich Birgit und mein Mann zusammen einen Plan zurechtlegten, wie wir wann weiter machen würden (Stichwort Krankenhaus) - davon bekam ich aber nicht viel mit. Irgendwann schlug Birgit vor, den Rest der Fruchtblase zu öffnen, den sie immer noch ertasten konnte. Ob das dann tatsächlich der Grund war, kann ich natürlich nicht sagen, aber ab diesem Moment ging alles Schlag auf Schlag, die Presswehen wurden immer intensiver und von irgendwoher nahm ich auf einmal eine ungeheure Kraft und konnte wieder mitschieben, um ein Vielfaches mehr als zuvor. Die intensivste Erinnerung habe ich an die allerletzte Phase, wo ich auf meinem Mann gestützt lag und mit dieser ungeheuren Kraft unsere Tochter schließlich zur Welt brachte. Es hat sich angefühlt, als wäre das komplette Universum durch mich hindurchgeflossen.
Birgit meinte schon vor der Geburt mal zu mir (sinngemäß), dass man danach erst weiß, wie viel in einem steckt. Das habe ich ihr zwar geglaubt, aber in welchem unglaublichen Ausmaß ich die Erwartungen an meine Kraft übersteigen würde, habe ich wirklich unterschätzt. Die Zwischenphase, in der meine Wehen wieder mit längeren Abständen kamen, entsprach sehr meinem gewohnten Naturell – ich streng mich gerne an, aber ich nehme mir dazwischen auch gerne gründliche Pausen. In der letzten Phase der Geburt waren die Pausen keine Option, und ich habe erfahren, wie sehr ich für etwas kämpfen kann, das ich wirklich, wirklich will, und dabei bereit bin meine Grenzen (wortwörtlich) zu sprengen.
Die ersten Stunden nach der Geburt waren unglaublich schön, auf einmal war da ein kleines Menschlein, das ab jetzt unser Zuhause mit uns teilte, und es war unser Kind und sie war durch mich geboren. Als die erste Nacht wieder hereinbrach, merkten wir aber, dass es noch viel zu verdauen gab. Sobald es dunkel war, kam die surreale Stimmung zurück, die unter Geburt da war. Das nahm ich als unheimlich, fast grußelig war, denn jetzt, wo diese geburtstreibende Energie nicht mehr durch mich wirkte, sondern nur noch eine Ahnung und verschwommene Erinnerungen davon in der Luft lagen, konnte ich nicht mehr ganz verstehen, was mit mir passiert war. Es sollte noch ein paar Wochen dauern, bis ich das alles wirklich verarbeitet hatte. Das ist gar nicht so negativ oder einschüchternd gemeint, wie es klingt:
Für mich war die Geburt an sich weder schlimm noch schön - sie war einfach. Punkt. Eine Grenzerfahrung jenseits aller Worte. Es war gleichzeitig das Brutalste und das Zarteste, das ich jemals erfahren durfte, und ich bin so unendlich dankbar, dass wir das in unserem geschützten Raum zu Hause, ganz für uns, erleben konnten.